Von Betini geht die Reise mit dem Bus weiter auf der Strasse Richtung Norden. Die Strasse wird immer schlechter und unser Weg wird beschwerlicher. Wir erreichen die Kleinstadt Dhunche so gegen 17 Uhr nach 4 – 5 stündiger Busfahrt. Also übernachten wir hier und beschliessen am nächsten Tag unsere Reise zu Fuss fortzusetzen. Es gibt Momos, Milktea und sogar ein sehr komfortables Hotelzimmer mit WC und Dusche. Wir, das sind Elena Teibler (21 Jahre), sie studiert in Kathmandu Pädagogik, Toya Neupane unser Freund und Begleiter und Dagmar Nüsser.
Am nächsten Morgen den weiteren Weg auf der Strasse zu gehen ist angenehmer als im holprigen Bus zu sitzen. Bis Thulo Bharku ist er schnell geschafft und hier geht es dann endlich los mit dem Trekken. Der Weg nach Barbal geht über einen sehr himalayatypischen Treppenpfad bergauf und auch etwas bergab über verschiedene Bergkämme. Er ist nicht sehr steil, aber wir müssen uns an das Laufen erst einmal gewöhnen. Die Geräusche, Gerüche und das immer satter werdende Grün erinnern an den Taldschungel des Langtang-Tales. Wir gehen, lauschen und geniessen und lassen so langsam die Natur mit ihrer Vielfalt an uns herankommen. Der Blick in die Landschaft ist immer wieder überwältigend.... so gross, so wild, so gestaltet, so fremd, so schön. Das Gefühl, mitten in dieser Landschaft zu sein erfüllt mich in den nächsten sieben Tagen immer wieder mit grosser Ruhe und Dankbarkeit.
Wir erreichen am Nachmittag das auf einem Bergkamm gelegene Dorf Thulo Shyaphru. Dieses Dorf ist geprägt durch seine vielen Lodges, denn es ist ein Durchgangsdorf für zwei Trekkingrouten. Hinauf geht es nach Gosainkund, einem beliebten Trekkinggebiet und Pilgerziel vieler Hindus. Runter geht es zum Langtang-Trek, den man auch als „Normalwanderer“ gehen kann, sofern man bereit ist einige Tage bergauf zu gehen. Wir finden einen Platz in einer schönen Lodge, geniessen die Sonne, das Essen und die Aussicht.
In der Nacht hatte es geregnet und wir müssen den Abstieg am Morgen vorsichtig angehen. Wiederum gibt es viele Stufen, diesmal bergab. Wir begegnen immer wieder Trägern mit Esswaren und Getränken für Touristen. Sie müssen unvorstellbare Mengen die Berge hinauftragen. Da ist etwa ein Student der alleine 48 l Wasser in Flaschen trägt. Gestern hatte ich so eine Flasche gedankenlos gekauft, obwohl ich einen Filter dabei habe. Nicht dass ich dem jungen Mann seine Arbeit nicht gönne, aber 48 kg sind einfach zu viel für einen so jungen Mann. Wir überqueren zwei Flüsse über schöne Hängebrücken. Viele Touristen kommen uns mit ihren Trägern und Führern entgegen. Sie sind auf dem Weg ins Langtang-Tal. In Shyaphru Besi rasten wir und überlegen uns die neue Route. Wir können den Berg vor uns überqueren oder umgehen. Ich bin für umgehen, Elena für truckfahren und Toya für überqueren. Unsere Überlegungen werden kurz unterbrochen durch eine Besichtigung im nahegelegenen Wasserkraftwerk. Hier fällt das Wasser 400 m tief auf zwei Turbinen und im Berg befindet sich eine moderne Anlage, die seit ca. 6 Jahren 11 Megawatt Strom liefert. Der nepalesische Führer ist stolz auf „sein Werk“ und zeigt alles sehr gerne her.
Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg den Berg zu umrunden. Die neue Strasse zur tibetischen Grenze ist noch im Bau und so müssen wir uns beeilen einer Sprengung zu entgehen. Bald können wir die Strasse verlassen und uns links in einem Seitental bergauf begeben. Die Landschaft wird wieder ruhiger und wilder. Wir kreuzen auch einige Felder, bald öffnet sich der Blick und wir sehen auf einen Berghang voller Terrassen. Wir haben das geschäftige Leben des Tales verlassen und sind wieder allein. Hier auf dem Weg finden sich keine Touristen mehr. Es gibt immer wieder kleine Erdrutsche zu überklettern und es ist abenteuerlich. Wir sind froh, Toya bei uns zu haben, denn die Wegausschilderung ist sehr sporadisch.
In Thambuchet treffen wir auf die erste Tamangsiedlung. Die Tamang sind eine der grössten Volksgruppen in Nepal mit tibetischem Ursprung. Die Häuser sind aus Stein gebaut, haben dunkle Holzverzierungen und buddhistische Gebetsfahnen auf den Dächern. Der Weg zieht uns weiter durch Reisfelder, an Stupas und Gebetsmauern vorbei. Unser Hotel ist ziemlich unsauber und die Besitzerin eher unfreundlich. Doch wir beschliessen zu bleiben und die Dunkelheit verschluckt dann alle unangenehmen Ausblicke. Im silbernen Fastvollmond wirkt die Landschaft geheimnisvoll und bezaubernd.
Die Nacht bringt wieder viel Regen, doch der Morgen ist trocken und sonnig. Wir begeben uns früh an den Aufstieg nach Tatopani (=heisses Wasser). Heute können wir es schon sehen. Wir durchqueren viele Felder mit Reis, Hirse, Senf, Buchweizen und abgeerntetem Mais mit Stangenbohnen. Andere Felder werden gerade bearbeitet und es werden Kartoffeln gepflanzt. Mittags sind wir am Ziel unserer Wanderung und nachdem wir unsere Sachen gewaschen haben, begeben wir uns ins heisse Wasser. Dieses Bad ist wildromantisch und so heiß, dass es zuerst fast unerträglich ist. Wir sind in die Bekleidungsgepflogenheiten der nepalesischen Frauen eingeweiht worden und tauschen den Badeanzug gegen ein grosses Tuch aus. Nach einigen Tauchgängen stellt sich ein Gefühl von Gelassenheit, Ruhe und Unangreifbarkeit ein und es könnte stundenlang so dahin gehen. Doch irgendwann meldet sich der Kreislauf und es ist angenehm im Bett etwas zu ruhen. Wir geniessen das Bad auch in der Nacht bei Vollmond; der Dunst zaubert einen gelb-orangen Ring um den Mond.
Der nächste Tag bringt baden, malen, schauen und schlafen. In der Nacht gibt es das letzte Bad im Dunkeln, ohne Mond und dieses Erlebnis ist besonders zauberhaft, da alle Mitbadenden nur als Schatten zu sehen sind.
Hier in Tatopani verbringen viele Nepalesen eine Zeit von sieben Tagen zur Genesung oder zur Gesundheitsvorsorge. Sie leben in Häusern oder Zelten und versorgen sich selbst. Diese Menschen sind unglaublich gesellig und gesprächig. Sie sitzen oft neben dem Bad, plaudern und schauen.
Durch Toyas Begleitung kommen wir immer wieder in die Küchen der Lodges und können dort das Leben miterleben. Hier treffen sich die Träger und Führer der Touristen mit den Gastgebern; es wird geplaudert, gekocht, getrunken und viel gelacht.
Der nächste Tag bringt den Aufstieg nach Nagthali. Der Weg den ich so lange erwartet habe; er soll mir meinen ersten Blick auf einen der Achttausender bringen. Der Weg alleine ist schon unglaublich schön. Er ist so vielfältig; jede Biegung bringt neue Erlebnisse. Erst der Wald aus diesen grossen Bäumen die mit braunem Farn bewachsen sind, dann kommen langsam die Nadelbäume dazu. Die Flechten an den Bäumen werden immer länger und es gibt auch Rhododendren, die jedoch noch nicht blühen. Wenn der Wald den Blick auf die Landschaft zulässt, so sieht man langsam die weissen Schneeberge hinter den grünen Bergkämmen hervorsteigen. Da tauchen die Ganeshs hervor, dort der Langtang Liu und der Weg nach Gosainkund den ich letztes Jahr gegangen bin. Wir treffen auf Wiesen und Yaks mit ihren Hirten. Dann gibt es Gerstenfelder und ein winziges Dorf. Plötzlich öffnet sich der Wald und wir stehen auf Almwiesen und Matten. Elena ist begeistert:“Hier sieht es aus wie zu Hause in Österreich!“ Hoch über den Almwiesen erreichen wir Nagthali; wir suchen uns einen Platz mit Aussicht auf alle Berge und schauen und schauen. Nun sieht man auch die tibetischen Berge mit dem Shisha Pangma. Ich geniesse den Blick und könnte tagelang nur so dasitzen und diese wundervollen Berge betrachten.
Nun sind wir auf dem höchsten Punkt unserer Reise angekommen, auf 3160 m. Das Schauen macht hungrig und wir bekommen eine Nudelsuppe und Tee. Dann machen wir uns auf den Abstieg nach Thuman. Dies ist ein Dorf in dem viele Exiltibeter leben.Wir wandern bergab über Almwiesen, durch Gesträuch, an Feldern vorbei und die frisch gekeimten Gerstenfelder von Thuman empfangen uns so gegen 17 Uhr.
Am letzten Morgen müssen wir noch früher los, denn unser letzter Bus nach Betini fährt um 9 Uhr unten im Tal los. Der Abstieg nach Shyaphru Besi geht wieder durch diese wunderschöne Terrassenlandschaft, vorbei an Gebetsmauern und Stupas. Doch die Zeit drängt und wir können nicht viel verweilen und schauen. Wir erreichen den Bus nur, weil Toya vorausgelaufen ist und ihn angehalten hat. So sitzen wir glücklich um 10 nach 9 im Bus und lassen uns wieder stundenlang durchschaukeln.